Über die Heilsamkeit des Einfachen

Ich nehme mir gerade zwei Tage Auszeit aus dem Alltag. Lange habe ich damit gerungen, aber es braucht für mich immer wieder Zeiten, wo ich in mir aufräume. In mir fließen ständig neue Ideen, Projekte, dazu kommt mein sehr voll gepackter Alltag mit allen Facetten des Mama seins, wo wenig Raum bleibt, zu sortieren (außer den ständig gefüllten Wäschekorb…), was Sinn macht und was nur ein netter Gedanke ist, der aber auch wieder gehen darf.

Also bin ich hier, im Haus der Stille in der Nähe von Graz. Nicht in einem Luxushotel mit Sauna und Pipapo, sondern in der Natur, im Einfachen. Vor langer Zeit habe ich diesen Ort hier schon entdeckt. Ein Ort inspiriert vom Hl. Franziskus von Assisi. Ein Ort, der natürlich auf christlichen Grundpfeilern steht, aber ich habe kaum einen anderen Ort erlebt, der so wertschätzend und Raum gebend mit anderen Meinungen und Kulturen umgeht. Es ist tatsächlich ein Ort, an dem man sein darf, wie man ist, in aller Einfachheit. Und das berührt mich, heute mehr denn je. Denn es braucht diese Orte, wo man selber Frieden finden kann, um den Frieden weiterzutragen in die Welt.

Schon vor mehr als 15 Jahren, als ich das erste Mal auf den Spuren des Hl. Franziskus direkt in Assisi war und dort auch an den Orten seines Wirkens, hat mich genau das berührt. Die Einfachheit von allem. Und, die Tiefe, die in dieser Einfachheit liegt.

Und so geht es mir auch jetzt. Ich sitze in mitten dieses wundervollen Gartens auf einer Holzbank und spüre… es ist alles da. Und ich spüre, wie all das abfällt von mir, was ich mir aufgeladen habe, in der Meinung all das zu brauchen.

Jetzt, etwas abseits des Alltags nehme ich wahr, wie intensiv wir Menschen an unserem Überfluss festhalten, wie sehr wir danach bestrebt sind, diesen Überfluss noch zu vermehren…. Und dennoch… tief in den meisten von uns versteckt sich ein nagendes Mangelgefühl, welches all dieser Überfluss nicht ganz überdecken kann.

So ist es ist es meiner Meinung nach die Einfachheit, die der größte Schatz ist für uns alle.  Der Schatz, den wir alle ins uns wieder bergen dürfen. Und zwar vielleicht nicht auf dem goldgepflasterten Weg, sondern auf einer wackeligen, schiefen Holzbank im Wald. Oder einfach dort, wo du jetzt gerade bist!

Und so wie ich diese Zeilen schreibe, kommen mir sofort die Gegenstimmen von anderen Menschen in den Kopf. So in etwa, dass wir uns auch erlauben dürfen, im Überfluss zu sein und dass es uns zusteht, dass wir auf der goldgepflasterten Straße entlanglaufen.

Ja… und nein!

Denn die Frage ist, wie kommst du zu dieser goldgepflasterten Straße… und… so kommt der Gedanke für mich… ist diese Straße wirklich, das was du suchst? Spürst du dich genau dort oder kommt doch in dir der Wunsch, kurz mit deinen Füßen über den schlammbedeckten Boden zu gehen und dich wieder ganz zu spüren?

Ich bin der Meinung, dass wir erst die Fülle in uns entdecken können,  wenn wir dieser Fülle in der Einfachheit begegnen, im simplen Alltag… eben auf einer wackelgien Holzbank, vielleicht. Dann entsteht eine Fülle aus unserem tiefsten Innersten, eine Fülle, die uns auch nicht ÜBERfüllt. Es entsteht dann eine Fülle, dich sich aus uns heraus ausdehnt, einfach so, immer mehr wird und uns stabil werden lässt. Der Unterschied ist nur, dass es keine Kraft mehr braucht, diese aufrechtzuerhalten. Sie ist einfach da!

Schöne Worte… Aber, wie gelangen wir nun in diese Einfachheit, gerade in der Kompliziertheit unseres Alltags?

Der erste Schritt klingt simpel aber ist für uns alle der wahrscheinlich schwierigste und der, der am meisten Mut braucht.

Der erste Schritt beginnt immer mit der Akzeptanz und Annahme einer Situation, so wie sie gerade ist. Was passiert sonst? Du beginnst sonst wieder dich im Mangel dessen zu drehen, was du gerne hättest, um irgendwo hinzugehen und nährst nur den Mangel in dir und kannst die Fülle dessen nicht erkennen, was gerade tatsächlich da ist! Also bleibe stehen, halte inne, genau da wo du gerade bist. Mit all deiner Freude, mit all deiner Last, mit all deinem Schmerz, mit all deiner Traurigkeit, mit all deinen Sehnsüchten.

Ja und dann lausche und nimm wahr, was gerade da ist, wenn du hier an diesem Punkt stehen bleibst. Was siehst du? Und vielleicht erkennst du, dass so vieles, wonach du dich ersehnst schon längst da ist, vielleicht zeigt es sich dir nur in einem anderen Licht. Vielleicht konntest du es nicht erkennen, denn es ist so einfach, dass du es schlichtweg übersehen hast.

Ich bin voller Zuversicht, dass es uns allen gut tut, egal wo wir stehen, wo wie gerade sind, uns immer wieder dieser Einfachheit bewusst zu werden. Wir sind geneigt alles zu verkomplizieren und zu drehen und zu wenden, was in Wahrheit wunderschön im Einfachen ist.